Newsletter 4/2025
Neubau vor Ausbau – Bahn präsentiert die Vorzugsvariante für die Trasse Hamburg – Hannover
Sehr geehrte Vereinsmitglieder,
so oder zumindest ähnlich stand es am Samstag in der LZ oder Lünepost zu lesen. Diese Schlagzeile hat viele Menschen in unserer Region aufhorchen lassen. Die Reaktionen schwankten zwischen Euphorie und totaler Ablehnung dieses seit langem feststehenden Ziels der Deutschen Bahn.
Viele Besucher des Deutsch Everner Dorffestes, zu dem wir am zurückliegenden Wochenende einen Informationsstand betrieben haben, fragten uns, ob wir denn schon feiern würden.
Einige mutmaßten sogar, dass ja nun alles gelaufen sei – allerdings hatten sie dabei ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen oder zwinkerten uns dabei zu.
Und natürlich können wir uns als Betroffene entlang der betreffenden Bestandsstrecke nicht zurücklehnen. Das Thema des Ausbaus der Bestandsstrecke im Rahmen des Schienenverkehrsprojektes Alpha E wird seit 2015 hitzig mit unterschiedlichen Ausschlägen in der zu erwartenden Ausgestaltung diskutiert und wird es bis zur endgültigen Entscheidung des Bundestages auch weiterhin!!!
Bisher sind es 10 Jahre, in denen wir als Verein und Bürgerinitiative „Anwohner gegen Ausbau DE 21“ viel gelernt haben. Viel über die Notwenigkeit der Ertüchtigung des Hafenhinterlandverkehrs Hamburg bzw. Bremerhaven, den Befindlichkeiten in den verschiedenen Regionen einerseits und auch „Entscheidungsfreudigkeit“ der Politik andererseits. Womit zu allererst die Bundesregierung als Auftraggeber in Richtung der Deutschen Bahn gemeint ist. Aber zwei Landtags- und drei Bundestagswahlen später wissen wir auch, dass es längst nicht nur die Bundesregierung ist, die hier ein Wörtchen mitzureden hat.
Auch die niedersächsische Landesregierung, auch wenn sie (ehemals MP Weil und neu der MP Lies) nicht müde wird, zu betonen, dass die Entscheidung nicht in Hannover getroffen und von dort auch nicht beeinflusst werden könnte, zieht nach Kräften ihre Fäden.
Die danach folgende Ebene der Landkreise (Harburg, Uelzen, Celle) und Kommunen zeigt sich aufgrund der Freitagsmeldung spontan sehr verärgert. Verärgert über den vermeintlichen Wortbruch seitens der Deutschen Bahn, habe man doch schließlich seinerzeit 2015 in Celle ein Abschlussdokument verfasst, das sich „klar“ für den Ausbau der Bestandsstrecke ausspricht.
Dass seither diese Einigung in keine konkrete Projektplanung eingeflossen geschweige denn von der Bundesregierung für die Deutsche Bahn in irgendeiner Weise bindend in einen Planungs- bzw. Durchführungsbeschluss gemündet ist, verschweigen eben jene (Kommunalvertreter, Landräte, Landesregierung und – ja auch der Projektbeirat Alpha E = quasi der Gralshüter des Abschlussdokuments). Wir haben vom Projektbeirat noch nichts gehört?! Keine Sorge, das kommt mit Sicherheit.
Es ist nun einmal Fakt, dass die Deutsche Bahn seit 2022 auf eben jenen Auftrag bzw. Beschluss wartet. Bis dahin hat die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben 41 in Frage kommende Streckenverläufe betrachtet und bewertet¹.
Fakt ist auch, dass sich egal welche politische Seite man betrachtet, man sich zumindest darüber einig ist, dass die derzeitige Leistungsfähigkeit der Bestandsstecke längst nicht mehr ausreicht und es dringend einer Entlastung und Verbesserung bedarf.
Fakt ist aber ebenfalls auch, dass, sollte es zu einem Ausbau mit einem dritten Gleis kommen, dieser mit einer Umfahrungsstrecke – wie es tatsächlich im besagten Abschlussdokument geschrieben steht – einhergehen wird. Zweigleisig mit allen den technischen Anforderungen entsprechenden Quanti- und Qualitäten, sodass sie den Charakter einer Neubaustrecke aufweisen wird.
Fakt ist, dass ein solches Infrastrukturprojekt nicht ohne ein Raumordnungsverfahren realisiert werden kann und darf. Und da dem besagten Abschlussdokument aus Celle bestenfalls ein gesellschaftspolitischer Wille und ein historisch einstimmiger Landtagsbeschluss² zu Grunde liegt, weiß die entscheidende Politikebene in Berlin sicherlich auch, und auch dass man damit bei einem verwaltungsgerichtlichem Streitverfahren spätestens in Leipzig Schiffbruch erleiden würde.
Resümee
Auch nach nunmehr 10 Jahren des gesellschaftlichen Hin und Her rund um das Schienenausbauprojekt Alpha E ist keine Entscheidung im Sinne einer Verkehrswende, der wirtschaftlichen Fortentwicklung, verkehrstechnischen Entwicklung, im Sinne Wirtschaftsunternehmens Deutsche Bahn oder der direkten Anrainer zur Bestandsstrecke Hamburg – Hannover getroffen worden.
Alle Argumente Pro wie Contra sind ausgetauscht. Die Sommer werden durchgehend wärmer und die großen Schifffahrtsstraßen u.a. Elbe und Rhein lassen die Binnenschifffahrt zum Erliegen kommen. In Folge der extremen und langanhaltenden Trockenheit fallen die Pegel der Flüsse rapide, sodass sie nicht oder nur stark eingeschränkt schiffbar sind.
Die einzig leistungsfähige Alternative – etwa für den Transport von Eisenerz – zur Binnenschifffahrt ist und kann nur die Deutsche Bahn sein, deren Streckennetz von 9.200 relevanten Streckenkilometern gerade einmal auf 1.000 km in modernen und leistungsfähigem Zustand sind. Auf der uns direkt betreffenden Bestandsstrecke Hamburg – Hannover (163 km Länge) liegt die Quote der pünktlich verkehrenden Personen-Nah- und Fernverkehrszüge bei 48 %. Jeder 4. in der Bundesrepublik bewegte Güterwagon wird über eben unseren Streckenabschnitt transportiert.
Scheut die Bundesregierung es auch weiterhin das Projekt Alpha E bzw. die seitens der Deutsche Bahn vorgelegte Vorzugsvariante zur Abstimmung in den Bundestag einzubringen, wird das „Rumgeeiere“ weitergehen.
Um die Fragestellung vom Dorffest, ob uns nach der Freitagsmeldung nach Feiern zu Mute sei, aufzugreifen –
…vor dem hier im Newsletter noch einmal zusammengefassten Hintergrund ist es uns im Vorstand „Anwohner gegen Ausbau DE 21“ nicht zum Feiern zu Mute, auch wenn wir es mehr als alles andere begrüßen würden, wenn die am Freitag vorgestellte Vorzugsvariante realisiert werden würde.
Sollte es dann doch zum Ende 2025 bzw. zu Beginn 2026 dazu kommen, dass der Bundestag zur Zustimmung aufgefordert wird, werden wir u.U. umso mehr gefordert sein, die Belange und Bedürfnisse unserer Region und nicht zuletzt der Deutschen Bahn in der öffentlichen / politischen Diskussion zu halten.
Der Status Quo findet sich in unserem brandneuem Flyer3 in aller gebotenen Kürze noch einmal dargestellt. Er soll gleichzeitig eine Einladung darstellen unsere Vereinsziele unverzagt weiter zu verfolgen.
In diesem Sinne, bleiben Sie uns gewogen
Klaus-Dieter Röschke
1. Vorsitzender
¹ Originalaussage im Rahmen der Informationsveranstaltung am 10.03.2025 in der Lüneburger Ritterakademie ² 2016 stimmte der Landtag auf Basis des Abschlussdokumentes aus Celle einstimmig für die Annahme des Schienenausbaugesetzes